Da der Frost das schöne Feo noch voll im Griff hatte, zog ich meine wärmsten Fellsachen an, um zu den ausländischen Händlern am Hafen hinter dem Schloss zu gelangen. Ich ging zu Fuß, denn mochte die kühle Winterluft und meine Gedanken schweiften nach hier und nach da. Als ich ankam konnte ich ein buntes Boot nach dem anderen bestaunen. Viele tolle Waren hatten die Händler fein arrangiert und luden zum Kaufen ein.
Stoffe, Gewürze, Naschereien, sogar auch Rüstungen und allerhand Sachen, die ich noch nie gesehen hatte. Ich stieg zu einem Teppichhändler auf ein größeres Schiff, denn mein Wandbehang war sehr in die Jahre gekommen. Doch mir gefiel nichts, nicht einmal der Teppich, der halb versteckt unter zwei großen Kisten lag. Ich legte ihn wieder zu dem Stapel mit den anderen Textilien und wollte von Board gehen. Jetzt muss ich wirklich sagen, ich bin absolut kein Tollpatsch. Doch über irgendetwas stolperte ich und fiel doch tatsächlich über die Reling.
Es ging unheimlich schnell und ehe ich mich versah, fiel ich nicht mehr Richtung Wasser, sondern ich flog durch die Luft. Der unscheinbare Teppich, den ich unter den Kisten hervor geholt hatte, hatte mich aufgefangen und trug mich nun fort. Fort vom Hafen, von meiner Heimat. Dies war eine interessante Art, in ein neues Abenteuer zu stolpern und der Kälte zu entfliehen.
NEUE FREUNDE, NEUE FEINDE
Das Zeitgefühl hatte ich längst verloren, denn der Teppich flog mich durch endlose Himmel und Wolken. Mir fiel auf, dass die Luft allmählich wärmer wurde.
Ich hatte ihn mehrfach angesprochen, aber keine Reaktion. Schließlich schwieg ich, immerhin wollte ich ihn auch nicht stören.
Als sich die Wolken auflösten, sah ich nichts und damit meine ich absolut nichts. Eine weite, trockene Wüste so weit mein Auge reichte bot mir einen trostlosen Anblick. Dann entdeckte ich eine kleine Stadt, auf die der Teppich zusteuerte. Nachdem wir uns weiter genähert hatten, erkannte ich ein buntes Fest in den Gassen der Stadt. Alles war mit Girlanden und Luftballons geschmückt und anscheinend waren gelegentlich eine Frau und ein Mann durch ein Band um jeweils ein Handgelenk verbunden. Natürlich meldete sich sofort meine Neugierde und der Teppich schien es zu spüren, denn er suchte sich einen Platz zum landen.
Wie könnte es auch anders sein, gelang es ihm nicht wirklich gut und ich fiel knapp über dem Boden hinunter. Ein kleines Stück weiter saß jemand mit dem Rücken zu mir.
Dieser Jemand war eine junge Frau, die so in Gedanken vertieft war wie ich es nur von dem Ältesten kannte. Meinen Teppich hatte sie ebenfalls nicht bemerkt (der inzwischen auf einem alten, kaputten Karren lag und sich wahrscheinlich ausruhte).
Sie war wirklich ausgesprochen hübsch und schien einen klugen Geist zu haben.
Anscheinend war dies nicht nur mir aufgefallen, denn ein grimmiger Herr mit einem großen Turban auf dem Kopf kam in Begleitung zweier Wachen und wollte ihr eins der Bänder anlegen, die ich bereits in der Luft bei anderen hatte sehen können. Nach einem kurzen Wortwechsel, den ich nicht verstand, wehrte sie ihn ab, doch diese Ablehnung gefiel dem Herrn überhaupt nicht. Er fluchte und schwor, dass er ihr Leben zerstören würde.
Ich konnte nur zusehen, da ich die Sitten und Bräuche in diesem Land noch nicht kannte.
Als er weg war, lief ich hin um sie zu trösten. Nach ein wenig Überzeugungsarbeit erzählte sie mir, was hier vor sich ging. Es war eine Art Zeremonie, vorbereitend für das große Sternenfest. Man suchte sich einen Partner und durch die uralte Magie des Sternenfestes wurde man dann miteinander für immer verbunden. Sie hatte sich auch unsterblich verliebt und gewartet, dass er kam und sie beide symbolisch mit einem Band verbinden würde. Doch dann hatte der hiesige Sultan ihn einsperren lassen, um sie für sich zu haben und ihre Pläne somit zunichte gemacht.
Mit Tränen in den Augen sah sie mich an und ich versprach ihr, alles zu tun um ihr zu helfen.
DAS WUNDER DER LAMPE
Der Frau, Aleyna, zu helfen, stellte sich als kompliziert heraus. Der Sultan war unrechtmäßig an die Macht gekommen, mehr wollte oder konnte sie mir auch nicht sagen. Angeblich verfügte er auch über Magie – und Magie kann am besten mit Magie bekämpft werden.
Sie erzählte mir von einem Artefakt, das tief in der Wüste in einer Oase verborgen war. Doch niemand hatte es bisher gefunden, da diese Oase wie eine Laune der Natur mal da und mal dort auftauchte, ohne einen Rhythmus, mit dem man sie hätte erahnen können.
Also packten wir so viel Proviant ein, wie wir tragen konnten, und machten uns auf den Weg in dieses sagenumwobene Wüstengebiet. Ich schwöre bei allem, was mir lieb ist, so viel Sand hatte ich noch nie in meinem Leben um mich herum! Er war einfach überall. Nach ein paar Stunden war es schon lästig, nach zwei Tagen schon fast unausstehlich und nach sieben Tagen trostloser Leere waren wir inzwischen genauso trostlos und vor allem hoffnungslos.
Da unser Proviant zur Neige ging, machten wir uns auf den Weg zurück in die Stadt. Auch wenn Aleyna die Gegend gut kannte, war ich mir sehr sicher, dass sie keine Ahnung mehr hatte, wo genau wir waren. Wir wanderten einfach weiter umher, wie zwei leere Hüllen. Das Wasser hatten wir stark rationiert, und es ging immer weiter zur Neige, ohne dass die Stadt in Sicht war – was unsere Situation nicht besser machte.
Ich hatte mein Zeitgefühl verloren, als wir endlich Palmen entdeckten. Und wo Palmen waren, da gab es auch Wasser! Dies gab uns neue Kraft, und wir schleppten unsere müden Körper zu dem Fleckchen Grün.
Wir fanden Wasser und bunte, essbare Früchte und füllten unsere Vorräte auf.
Als wir gerade aufbrechen wollten, stolperte ich. Es war ein Teil von einer alten, verschimmelten Kiste. Meine Neugierde siegte natürlich, und ich grub den Rest mit den Händen aus. Ohne zu zögern öffnete ich den unverschlossenen Deckel, und da lag sie, gebettet auf rotem Samt, der gar nicht zur Kiste passte. Eine Lampe.
DAS BUNTE TIER
Für eine magische Lampe war sie ziemlich unscheinbar. Weder Aleyna noch ich hatten eine Idee, wie sie funktionieren könnte, also ließen wir sie in ihrem Samtbett liegen. Leider mussten wir nun zu zweit die Kiste bis zur Stadt zurück tragen. Der Weg war auch schon ohne zusätzliche Last schwer genug gewesen und wir wussten auch nicht, wo genau wir hin gehen mussten.
Ich ärgerte mich, dass ich den Teppich nicht mitgenommen hatte, sondern ihn sicher bei Aleyna zu Hause verstaut hatte. Wahrscheinlich war dies meine einzige Möglichkeit, irgendwann nach Abschluss dieses Abenteuers nach Hause zurück zu kehren.
Wir hatten uns entschlossen, eine Nacht in der Oase zu bleiben um einmal mehr Kraft zu tanken.
Am nächsten Morgen erwachten wir oder besser gesagt, wir wurden von einem Schnaupen aus dem Schlaf gerissen. Neben uns lag - glaubt es mir wenn ich es euch erzähle, es ist kein Scherz - ein Kamel. Doch natürlich war es nicht irgendein Kamel, es war von Kopf bis Fuß total bunt! Rot, Grün, Blau, Gelb, Lila, ... Eigentlich gab es keine Farbe, die nicht auf dem Tier zu finden war. Es lag da total entspannt, als wären wir schon Monate lang mit ihm gereist. Nach einem kurzen Kennenlernen, luden wir die Kiste und unseren Proviant auf das bunte Kamel und marschierten los. Natürlich dem Tier hinterher, denn es spendete nicht nur Schatten, sondern trug auch unsere wertvolle Last schnurstracks in eine bestimmte Richtung.
Aleyna und ich beschlossen in stiller Übereinkunft, dem Tier zu folgen.
Es gab bestimmt dümmere Ideen, als einem bunten Kamel zu vertrauen, oder?
